Dienstag, 29.04.2025 - Abgehörte Nazi-Gespräche enthüllt
Sie sprachen offen über das Morden:
Abgehörte Nazi-Gespräche enthüllt
Filipp Piatov - 29.04.2025 - 21:33 Uhr
Sie waren deutsche Männer. Sie waren im Zweiten Weltkrieg in britischer Kriegsgefangenschaft. Sie unterhielten sich darüber, wie sie bei Einsätzen in Osteuropa mordeten. Was sie nicht wussten: Sie wurden abgehört.
Mehr als 80 Jahre lang waren diese abgehörten Gespräche – das Ergebnis einer britischen Geheimdienst-Operation – der Öffentlichkeit nicht bekannt. Jetzt haben israelische Filmemacher für den Sender „Kan“ sowie internationale Historiker die Dokumente aus dem Britischen Nationalarchiv geholt und ausgewertet.
Die teils im freundschaftlichen Plauderton geführten Dialoge sind ein seltenes Zeugnis des Holocaust vonseiten der Täter. Und sie sind ein erneuter Beweis, dass der Massenmord der Nazis an sechs Millionen Juden in Deutschland kein Geheimnis war. Dass er nicht still, heimlich und nur von der SS begangen wurde. Dass viele Täter nicht nur Befehlen folgten, sondern bereitwillig mordeten.
BILD dokumentiert die schrecklichen Mord-Gespräche der Nazis.
„Top secret“: Der britische Geheimdienst hörte die Gespräche ab, viele Jahrzehnte lagen die Dokumente im Archiv
Foto: The National Archives
„Da waren doch manche nicht tot, und dann wurde Erde übergeschüttet“
▶︎ Auf dem „Top Secret“-Dokument steht: „Bericht über Informationen, die vom ranghohen Kriegsgefangenen am 13.–16. März 1945 erhalten wurden.“
Kavallerie-General Ernst Georg Edwin Graf von Rothkirch und Trach, im Dokument nur Rothkirch genannt, unterhält sich mit einem anderen General und erzählt:
„Erst mal gruben die Leute Graben selbst, dann stellten sich zehn Juden hin, dann kamen die Leute mit den Maschinenpistolen und schossen sie um, und dann fielen sie in die Grube. Dann kamen die nächsten, vorne aufgestellt und fielen auch wieder in die Grube, und die anderen warteten eine Weile, bis sie erschossen wurden. Da wurden Tausende von Leuten erschossen. Es hat man nachher gelassen und vergast. Da waren doch manche nicht tot, und dann wurde Erde zwischendurch übergeschüttet (…)“
„Die kleinen Kinder …“
▶︎ In einem „Most secret“-Dokument sind Unterhaltungen vom 10. Oktober 1943 festgehalten.
Ein nicht näher genannter Feldwebel unterhält sich mit einem Gefreiten und erzählt:
„Nun hörte ich die ganze Geschichte, wie sie das gemacht haben. Der sagt…(.....): „Die kleinen Kinder, die konnten sie doch nun mit Maschinengewehren nicht erschießen, die haben noch nicht sitzen können usw. Da haben sie sie genommen, an den Beinen gepackt, und da haben sie sie also auf die Erde geschmettert, sodass sie immer aufplatzen. Einfach totgeschlagen wie die Katzen, und dann reingeschmissen (…)“
„Ich bin nicht zu feige, dass ich meinen Kindern überlasse, was ich selber machen kann!“
▶︎ Auch in einem weiteren „Top secret“-Dokument unterhalten sich deutsche Offiziere über die Ermordung von Kindern. Die Gespräche haben am 29. April 1945 stattgefunden, an der Unterhaltung waren Konteradmiral Siegfried Engel, Vizeadmiral Kurt Utke und ein „Kapitän Magnus“ beteiligt.
Engel erzählt: „Wir waren doch dabei in Posen, wo der Mann uns gesagt hat, wer die Juden umgebracht hat. Das hat er uns doch selber erzählt. Ich erinnere mich noch ganz genau, wie er sagte: ‚Wenn mir dann gesagt wird: Warum haben Sie denn auch die Kinder dabei umgebracht? Dann kann ich nur sagen: ‚Ich bin nicht zu feige, dass ich meinen Kindern überlasse, was ich selber machen kann!‘“
Das Anwesen in Trent Park: Die deutschen Offiziere lebten komfortabel. Ganz anders als viele Kriegsgefangene, die von Nazi-Deutschland festgehalten wurden
Foto: Christine Matthews
Utke zeigt sich nicht entsetzt über die Tat des Mannes, sondern nur überrascht über den Zeitpunkt der Morde: „Aber so blöd können die Leute doch nicht sein, dass sie nur zwei oder drei Wochen vor der Besetzung noch solche Greuel machen.“
Utke behauptet auch, dass diese Taten für ihn eine Neuigkeit seien. Engel widerspricht: „Aber der Durchschnittsdeutsche wusste das doch, dass das so ist.“
„Wenn das einmal alles rauskommt“
▶︎ Ein weiteres „Most secret“-Dokument hält eine Unterhaltung der Luftwaffen-Generalmajore Gerhard Bassenge und Georg Neuffer fest.
Neuffer äußert eine Befürchtung: „Die Russen sind ja noch nicht, wo die großen Massenmorde begangen worden sind. (...) Ich meine, wenn das einmal alles rauskommt! Das ist ja das Schlimme, das ist ja leider fast alles wahr. Im Gegenteil, die wissen doch gar nicht, was alles wirklich passiert ist.“
„Sind das so große gewesen?“, fragt Bassenge.
Die Briten hielten genau fest, wen sie abhörten
„Ja, an russischen Juden, ja, auch so an polnischen. Das war ja das wovon ich erzählt habe, dass sie da zu Tausenden umgelegt worden sind, mit allen möglichen üblen Begleiterscheinungen.“
Mithilfe internationaler Forscher haben die israelischen Filmemacher Yaron Niski und Danny Lieber tausende Dokumente durchgearbeitet, um das Grauen zu dokumentieren. Damit das, was während des Zweiten Weltkriegs von den Nazis verbrochen wurde, nicht vergessen, verfälscht oder beschönigt werden kann.
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